„Guten Tag Frau Lesiczech!“

„Guten Tag Frau Lesiczech!“

Es passiert schon mal, dass meine Mailsignatur für Verwirrung sorgt. Vor kurzem wurde ich von einer Kundin im Mailaustausch konsequent mit „Frau Lesiczech“ angeschrieben. Sollte ich die Signatur vielleicht ergänzen und ein paar Dinge abklären? Jedenfalls fand ich es amüsant und verwunderlich zugleich.

Mein tschechischer Vorname scheint im deutschen Sprachraum recht exotisch zu wirken.

„Wie schreibt man das?“ habe ich schon oft gehört.

„Wie ‚Lena‘ mit einem ‚k‘ dazwischen.“ Das funktioniert meist gut. Die Trefferquote für das ‚k‘ ist erstaunlich hoch. Mein Vorname erlebte schon recht kreative Varianten: „Lenca“, „Lencka“. Die „klassische“ Version „Lenker“ war dabei ganz klar der absolute Renner.

Ok, ich verstehe es, der Name ist nicht geläufig. Der Nachname dafür ist typisch deutsch, dachte ich, da kann man nichts falsch machen. Man kann, stellte ich fest. Mit diversen Anhängen verschönert und verlängert, „Siebert“ und „Siebers“ war ich schon, „Sieberts“ und auch „Seibert“. Das überraschte mich in meinen ersten Jahren in Deutschland schon.

Nach wie vor scheint aber das Identifizierungsproblem eindeutig am „Lesiczech“ zu liegen. Wohin damit, ist es der Vor- oder Nachname und wie spricht man das überhaupt aus? Da war ich zu Beginn meiner Übersetzerin- und Dolmetscherin-Karriere kreativ und erfand einen Firmennamen, der bestens zu mir passt: LESICZECH, sprich lessietscheck, heißt im Tschechischen „ein kleiner Wald“. Es ist die LEnka SIeber aus Tschechien, Englisch eben CZECHia. Es ist die Lenka, die im Wald sitzt, wenn sie arbeitet. Frau Lesiczech eben.

Aussergewöhnliches Luxemburg und überraschendes Schengen

Städtereisen sind für mich eine wunderbare Chance dem Alltag für eine Weile zu entfliehen und dabei etwas Neues zu entdecken. Wie vor kurzem in Luxemburg und das war ein Reiseerlebnis der besonderen Art. Nicht nur, dass wir täglich zig Stufen und Höhenmeter erklommen haben und das innerhalb der Stadt. Vielerorts traf ich dabei auf Spuren historischer Verbindung zu meiner tschechischen Heimat. Und es ist mir noch nie passiert, dass ich binnen kürzester Zeit beinahe alle Sprachen gesprochen habe, die ich mehr oder weniger gut beherrsche. Als überzeugte Europäerin begeistert mich diese Multikulturalität immer wieder. Nicht nur in der Altstadt Luxemburgs oder im hypermodernen Europaviertel.

Die Stadt Luxemburg, „Stadt“ wie die Einheimischen sie nennen, überraschte und begeisterte uns. Man muss aber sagen, wer das Treppensteigen nicht zu seinen Hobbies zählt, sollte vielleicht in Luxemburg auf den Bus & Bahn umsteigen. Was ja problemlos und ohne umständiges Ticketbuchen geht, denn der ÖPNV ist dort völlig kostenlos! Für alle, wie für Luxemburger, als auch für alle Zugereisten. Verständigen kann man sich dort ja auch prima, denn irgendeine der über Hundert Sprachen, die die dortige Bevölkerung spricht, wird frau und man sicher beherrschen. Es ist eine Stadt mit vielen Besonderheiten – angefangen von beachtlichen Höhenunterschieden, zahlreichen Aussichtspunkten, unzähligen Cafés und multinationalen Leckereien, freundlichen Menschen aus allen Herrenländern, einem hypermodernen Europa-Viertel und dem größten „Balkon“ Europas. Die „Stadt“ ist echt der Reise wert.

Wer dann die Heimreise gern auf Umwegen antritt, der sollte nach Schengen fahren, einen kleinen, aber bedeutenden Ort im französisch-luxemburgisch-deutschen Länderdreieck. Der Abstecher ist absolut lohnenswert. Denn die Idee des gemeinsamen Europas wird dort mit viel Hingabe erklärt und präsentiert. Ein Museum über den Weg zum heutigen Europa, ein Platz mit Symbolen aller EU-Mitgliedsländer und eine mit Weinbergen übersäte Umgebung laden zum Besuch ein.

Meine Reiseempfehlung: Nimmt von Luxemburg aus unbedingt einen Umweg über Schengen!

Von fremden zu eigenen Texten…

Von fremden zu eigenen Texten…

Übersetzerinnen und Übersetzer befassen sich tagein tagaus mit fremden Texten. Sie übersetzen, korrigieren, zweitlesen, lektorieren, überprüfen und recherchieren und dabei geht es ausschließlich um Schriftliches, dessen Autorin oder Autor nicht sie selbst sind. Zweifellos belastet es die Übersetzer:innen ja kaum, nur fremde Texte sozusagen ‚in den Händen zu haben‘. Zumindest in den meisten Fällen, wenn die Qualität des zu Übersetzendes nicht allzu sehr zu wünschen übriglässt. Einige Übersetzer:innen aber verlassen das Gebiet des ausschließlichen Fremdtexte-Übersetzens und werden zu Autoren und Autorinnen. Ihre sprachliche sowie gedankliche Fantasie verlässt die grauen Zellen und landet im eigenen PC als besonders gesichertes Eigengut. Nicht wenige von ihnen beweisen dabei, dass sie als Autor genauso talentiert sind und gekonnt mit der Sprache umgehen. Sie bringen eigene Ideen zu Papier, sie kreieren mit Bravour Geschehnisse und Schicksale fiktiver Helden und verspüren dabei einen besonderen Tatendrang sowie eine wachsende Freude. Sie sind nun ganz frei und unabhängig, gänzlich losgelöst von sämtlichen Textvorgaben, Glossaren und Fachterminologie. So beflügelt ergreife auch ich immer meine Maus und genieße das Klappern der Tasten auf meiner alten Tastatur…

Die Helfer

Emma liegt in ihrem Bett und starrt zur Decke. Was soll sie SONST tun? Den Kopf kann sie nicht bewegen. Eigentlich kann sie überhaupt nichts mehr bewegen. Eins der wenigen Dinge, die nicht eingegipst sind, ist ihr Gesicht. Ich bin eine Mumie. Sie hebt ihre Augen zu dem kühlen Weiß der Zimmerdecke. Weiß, nichts anderes als endloses kaltes Weiß. Emma fröstelt. Wie soll ich DAS aushalten? Lebendig begraben, ja, das bin ich jetzt. Der alte Arzt meinte noch, ich hatte Glück, es hätte ganz anders enden können. Was nennt er hier Glück? Tauschen würde er nicht. Vier Wochen unter Tonnen von Gips lebendig begraben. Sie spürt einen schweren Druck auf der Brust. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Die kleinen salzigen Tropfen rutschen über ihr Gesicht hinunter. Niemand ist da, der die Tränen abwischt. Der ihre Hand hält, der sagt, alles wird gut, du wirst wieder laufen können. Sie liegt tonnenschwer tausende Kilometer von zuhause weg.

Ski laufen! Emma sieht die Piste vor sich. Der Schnee glitzert im strahlenden Sonnenlicht wie tausende Diamanten. Sie fliegt wieder nahezu perfekt an den Toren vorbei, durch das Diamantenfeld… Ihre Tränen versiegen. Sie spürt ein schwaches Lächeln im Gesicht. Sie sieht den Schnee, die Piste, das Glitzern, die Tannen links und rechts. Sie ist wieder mitten drin. Sie spürt die rasende Geschwindigkeit, das Vibrieren ihrer Schenkel, den eisig brennenden Windzug. Sie fliegt und zeichnet ihre Flugkurven, sie hebt ab und betrachtet das strahlend weiße Diamantenfeld unter sich…

‚Wie geht es Ihnen?‘

Emma erschreckt. Die Realität holt sie zurück. Ihre Augen suchen nach der Stimme. Ein fremdes Gesicht neigt sich dem ihrem. Ein warm lächelndes Gesicht.

‚Kann ich etwas für Sie tun?‘

Jetzt nimmt Emma das faltige Labyrinth im Gesicht über sich wahr. Das innige Lächeln unter der grauen Haarlocke, die der Schwester ins Gesicht fällt.

‚Ich bringe Ihnen einen Tee,‘ lächelt das Gesicht. ‚Einen besonderen Tee. Er wird Ihnen guttun.‘

Bevor Emma reagieren kann, verschwindet das Gesicht und sie hört das leise Schließen der Tür. Sie ist leicht verwirrt. Sie war ganz weg, in einer anderen Welt. Dort, wo sie mal glücklich war. Warum bin ich nun hier? Sie versucht den Oberkörper anzuheben und schreit auf. Die Härte des Gipsverbands wirft sie zurück in die Wirklichkeit. Ein Schrecken zieht durch ihre verbundenen Glieder wie ein Blitz. Noch bevor die tiefe Angst sie ergreifen kann, hört sie wieder die Tür.

‚Probieren Sie, Emma.‘

Emma spürt einen warmen Luftzug. Ein Strohhalm berührt ihre Lippen. Sie zögert kurz. Dann zieht sie vorsichtig die Luft ein, sie saugt sie in sich hinein und die ersten Tropfen erreichen ihre Lippen. Eine wohltuende Wärme breitet sich in ihrem Mund aus. Ein süßlicher, geheimnisvoller Duft hüllt sie förmlich ein.

‚Schmeckt er Ihnen?‘ Emmas Augen suchen nach den Falten. Ihre Lider nicken und sie spürt, wie ihre Mundwinkel auseinanderfallen. Sie lächelt.

‚Was ist das?‘

‚Bergblütentee. Er ist selten und wirkt nicht immer. Für Sie, Emma, ist er genau richtig.‘ Leise Schritte entfernen sich und Emma hört das Schließen der Tür nicht mehr. Sie nimmt ein leichtes Rucken wahr, eine leichte Bewegung, als ihr steifer Körper hochgehoben wird und plötzlich über dem Bett schwebt. Er fühlt sich so leicht an. Wie ein Strauß trockener Blüten, getragen vom Wind. Emma bewegt ihre Augen nach rechts und ihr Körper wendet sich ganz sanft zur rechten Seite. Sie kann die grünen Wände und den Zimmerboden sehen. Sie sieht darauf etwas glitzern. Neben ihrem Bett liegen winzige Diamanten. Emmas Herz hämmert heftig gegen ihre Rippen. Sie ist glücklich. Sie ist im Himmel.

Satt gesehen senkt sie ihre Augen und ihr Körper landet ganz behutsam wieder im Bett. Jetzt WEISS sie. Sie wird es schaffen.

(Kurzgeschichte von Lenka Sieber)

Frankfurter Buchmesse 2022 – rein persönliche Zusammenfassung

Frankfurter Buchmesse 2022 – rein persönliche Zusammenfassung

Die Frankfurter Buchmesse hat mich in diesem Jahr besonders begeistert. Neben einigen wichtigen Treffen mit Menschen, die ihr Leben den Büchern und ihre Messezeit u. a. meinen Fragen gewidmet haben, hatte ich einige Aha-Erlebnisse. Erstens habe ich erlebt, dass die Messe die bunte Vielfalt wirklich lebt – rein äußerlich zweifellos bei der Bekleidungswahl, denn meiner Wahrnehmung nach waren die meisten Teenies besser kostümiert als zu Weiberfastnacht in Köln. Zweitens war ich sehr dankbar darüber, in der Welt der mobilen Apps versiert zu sein, nachdem meine brandneue Schrittzähler-App meine abgewanderte Kilometerleistung abends völlig erschöpft herausgespuckt hatte. Und drittens stellte ich fest, dass ich im kommenden Jahr womöglich intensiv mit der Buchmesse zu tun haben werde – zumindest dann, wenn ich auf Dolmetscheranfragen für Slowakisch nimmer müde erläutern werde, dass Slowakisch nicht Slowenisch und Slowenien ein anderes Land als die Slowakei ist. Ich bin bereits gespannt auf das Gastland Slowenien in 2023, auch wenn ich mich über meine slowakische Heimat auf dem Posten sehr gefreut hätte.

Im Januar 2023 wählt Tschechien seinen Präsidenten

Die tschechischen Wahlen mit der höchsten Wahlbeteiligung – das sind alle fünf Jahre die Wahlen des Präsidenten. Der höchste Landesrepräsentant wird am 13. und 14. Januar im In- und Ausland direkt vom Volk gewählt. Der derzeitige Amtsinhaber darf nach 2 Amtsperioden nacheinander nicht mehr antreten, was bei vielen Tschechen nahezu eine Euphorie auslöst. Die Liste der willigen Kandidaten ist lang und enthält mehr oder weniger bekannte Namen quer durch das politische und öffentliche Leben Tschechiens. In der Hoffnung auf eine Persönlichkeit, die das Land eint, die demokratische, moralische und ethische Regeln respektiert, die Menschen aller Gesellschaftsgruppen gleichermaßen vertritt – damit eine Ära zu Ende geht, als frau und man diese Werte vom Amtsinhaber Miloš Zeman leider des Öfteren vergeblich erwarteten. Es gibt ein hervorragendes Beispiel für die Wahrnehmung der Präsidentenrolle direkt bei den Nachbarn – verkörpert durch die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová. Manchmal ist es halt schade um die Landesteilung.

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